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Schätze / Gretel Gohl: "dahinter stehen viele Erinnerungen"

Die zweimal vererbte Puppenstube

Die Kindheit - eigentlich die ganze Familienge-schichte lässt sich an diesem Erbstück festmachen.

Die Puppenstube, die Gretel Gohl in Michelbach beleuchtet auf einem kleinen Absatz stehen hat, ist sicherlich ein Schatz. Doch noch größer ist der Schatz an Erinnerungen der 79-Jährigen, den die Puppenstube hervorbringt., Erinnerungen an Vater, Mutter, Tanten, Geschwister, an das Leben, wie das früher ablief in ihrem Umfeld zwischen Gelbinger Gasse und Nikolaihaus, zwischen Grossag-Gießerei in der Spitalmühlenstraße und Gelbingen und den Abstechern zur Tante nach Mannheim.

Ernst-Walter Hug

Michelbach an der Bilz. Die Puppenstube, die Gretel Gohl über all die Jahre gehegt und gepflegt hat, sie ist alt. Vermutlich ist sie um 1860, 1870 herum entstanden. Man kann es auch an den Möbeln, an der Kleidung der Puppen ablesen, die im Puppenstuben-Wohnzimmer auf Stühlen, Sesseln und dem roten Sofa mit den Löwenköpfen in den Lehnen drappiert sind. "Das auf dem Sofa, das ist der Besuch", sagt Gretel Gohl und erzählt, dass diese Puppen aus einer anderen Puppenstube stammen, die aber nicht mehr existiert: der ihrer Mutter. Auch trägt der "Besuch" keine originale Kleidung mehr. "Die hab ich selber genäht und gestrickt", sagt Gretel Gohl. Wenn man das im Großen kann, dann kann man das auch ganz klein..." Und dann erzählt sie von ihren Kindern und Pflegekindern und wie das in ihrer eigenen Kindheit war, die sie in der Spitalmühlenstraße verbracht hat. Mit der Mama und den Tanten ist sie da oft auch zur Arbeit hinauf ins Nikolaihaus gegangen, das damals noch städtisches Krankenhaus war, Die Oma aus der Gelbinger Gasse war dort Köchin und ihre Kinder, also die Mama und Tanten von Gretel, die halfen dort mit. Der Papa, Richard Völkel, der arbeitete bei der Grossag.
Gretel Gohl holt ein Album aus dem Schrank, zeigt Bilder von ihrem Papa, wie er an einem Urnen ähnlichen Blechteil arbeitet: das ist die Vase, die oben auf der Rathausspitze steht! "Ja. Die hat mein Papa gemacht", sagt Gretel Gohl und zieht zum Beweis das Dankschreiben des damaligen Bürgermeisters Hornung hervor, der dort dem Flaschnermeister der Grossag zum Dank auch ein "Heimatbuch und eine Dose Kakao" vermachte. "Kakao war damals was sehr Kostbares."
Zu der Zeit hatte Gretel Gohl aber ihre ersten Erlebnisse mit der Puppenstube längst hinter sich. Bei der Tante Liese in Mannheim hatte sie damit immer spielen dürfen. "Eine Zeit lang habe ich sogar bei ihr gewohnt und bin kurzzeitig in Mannheim zur Schule gegangen, das war so um 1933 oder 34 herum." Völkels hatten damals sehr wenig Zeit für die Kinder, denn nach der Arbeit, da bauten sie sich mit eigner Hände Arbeit ein Haus in Gelbingen, unterhalb des Neubergs, dort wo der Kanal in den Berg geht.
Später in den 30ern wurde Tante Liese - das Fräulein Lehmann - von Mannheim 'straf'versetzt, hat in Westheim gewohnt und in Rieden unterrichtet. Zuvor aber kam sie bei der Oma in der Gelbinger Gasse unter. Die Puppenstube wollte sie nicht nach Westheim mitnehmen. Also vermachte sie das damals schon alte Stück - denn es stammt ja ursprünglich von Tante Lieses Großmutter - der nicht mehr ganz so kleinen Gretel. Mit dem Leiterwagen transportierte sie die Puppenstube nach Gelbingen. Als sie dann aber damit zu Hause anrückte, gab's erst mal Tränen. Der Papa wollte "das alte G'lump' nicht ins Haus" lassen und Gretel musste mit dem Leiterwagen wieder zurück.
Später heiratete die Tante Liese, nach dem Krieg war das schon, wieder nach Mannheim: einen Pfarrer. Selbst die Puppenstube hat sie wieder mit zurück genommen, wo sie auf dem Speicher verstaubte. "Erst viel später, ich war da schon weit über dreißig", hat sie Gretel wieder gefragt, ob sie die Puppenstube nicht haben wolle. Damals hatte es auf Tante Lieses Dachboden einen Wasserschaden gegeben, an der Wohnzimmerwand der Puppenstube sieht man ihn heute noch.. "Doch das Teil ging nicht auf die Rückbank unsres Autos. Tante Liese hat fast geheult, als wir die Füße absägten, um sie auf der Rückbank transportieren zu können. Als wir wieder zu Hause in Gelbingen waren, haben wir erst die hölzernen Füße wieder angeleimt, bevor wir in Mannheim anriefen, dass wir gut angekommen waren."
Seitdem ist die Puppenstube nur noch einmal umgezogen, Ende der 60er, als die Familie das Haus in Michelbach kaufte. Aber weder die eigenen Kinder noch die Pflegekinder durften mit der Puppenstube spielen. "Die hatten ihre eigenen Sachen". Gretel Gohl aber, die holt auch heute noch manchmal die Schüsselchen und Tellerchen, originales Zinngeschirr, altes handbemaltes Porzellan oder später etwa von der Haller Töpferei Heckmann zugekauftes Tongeschirr heraus - denn natürlich ist auch die Küche der Puppenstube bis zum Brennholz neben dem Herd und zur Mausefalle neben dem Wassertisch komplett eingerichtet - staubt sie ein wenig ab, schaltet die Beleuchtung ein, und erinnert sich gern, wie das damals war...

 

 

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