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Freilichtspiele /Goethes Werther als Revue-Verschnitt

Firlefanz im Globetheater

Nicht auf einen Theaterabend bauen: anschließend Kneipenbesuch notwendig

von Ernst-Walter Hug

Gleich vorweg: Wer sich Goethes "Leiden des jungen Werther" im Haller Globetheater antut, sollte nicht auf einen netten Theaterabend bauen, sondern sich für diesen Abend weiteres vornehmen. Ein Kneipenbesuch wäre angeraten, um das Gesehene schnell mit einem Schluck Bier oder Wein runterzu-spülen. Zudem: die Vorstellung ist so kurz, dass man draußen - jetzt im Juli - noch ohne weiteres im Programmheft lesen kann. Wenn man das Globetheater verlässt, ist der Abend noch jung, grade so, als ob man durch die Straßen einer Großstadt bummelnd mal eben ein Neon glitzerndes Revuetheater betreten hätte und nun im Licht der gerade untergegangenen Sonne wieder auf dem Bürgersteig steht. Doch da ist keine Großstadt, da ist kein Revuetheater. sondern der Baum bestandene Park vor der Haller Altstadtkulisse. Man schüttelt den Kopf und fragt sich, ob man gerade im falschen Film war: jeder Film im Kino übrigens dauert länger und bietet mehr, als Christoph Biermeiers Werther.

Treten aus ihren 'Führungs'-rollen heraus und streiten sich um die Lottepuppe wie Kinder: die Puppenspieler des "Werther" (Nils Dreschke rechts) und seines Gegen-spielers "Albert" (Uwe Steinbach vorne) dazu die Puppenspielerinnen Margit Hallmann (Mitte rechts) und Ines Heinrich (Mitte links) Foto: Freilichtspiele J.Weller

"Nach Johann Wolfgang Goethe" steht wohlweislich über dem Titel auf dem Programmheft, wohlweislich "nach". Man braucht eine Weile, bis man auf der Revuebühne mit Zwei-Mann-Band, Haar glatt ge-geltem Conférencier und als Reminiszenz an die Romantik einem Plüsch-Schwan in der anderen Bühnenecke einen Faden von Goethes "Werther" entdeckt. "Was ich von der Geschichte des armen Werther nur habe auffinden können, habe ich mit Fleiß gesammelt", lässt Regisseur Biermeier den Conférencier des Stückes mit Puppen und Menschen Goethe zitieren, hat nur vergessen hinzuzufügen: "und wie Blindwerk, äh Blendwerk aus Revueszenen aneinandergefügt." Der Rest des Brief-Romans Goethes flattert während des Stücks als symbolisch Weggeworfenes durch die Lüfte.
Och, die Halbmenschen großen Puppen des Puppentheaters Halle sind durchaus witzig, wie sie da teilweise mit ihren sie offen führenden Spielern interagieren, wie die sie führenden Spieler oft genug selbst in die Rolle hineintreten, sich küssen, sich über die Puppen hinweg direkt ansprechen oder wütend die Puppe unterm Arm die Szene verlassen: die Schauspieler sind nicht schlecht (und Sie wissen ja, im Schwäbischen ist solch eine Aussage durchaus als Lob gedacht). Aber man muss schon Firlefanz mögen, um sich diese Interpretation bzw. kurze Zusammenstückelung des Goethe-Romans "Die Leiden des jungen Werther" anzutun.
(Varieté, Varieté, im ersten Stock gibt's ein Separée) Jeder hat wahrscheinlich in seiner Jugend irgendwann die Seelenpein von Liebeskummer erlebt, die tiefen Gefühlen, die einen fast (und manchmal - siehe Werther - wirklich) umbringen. Für Christoph Biermeier allerdings scheint diese Lenemsphase nichts weiter gewesen zu sein, als ein bißchen Brustdrücken, das man sich am besten im Milieu eines Revuetheaters abreagiert. Goethe war ein Frankfurter, ein Großstadtmensch, mag er sich überlegt haben. Und vielleicht hätte er seinen Romanhelden (der ja in Wirklichkeit er selber war) nicht sterben lassen, wenn's damals in Frankfurt schon die Kaiserstraße gegeben hätte. Da wird man als Besucher auch in 70 Minuten abgefertigt.

 

 

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