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Konzert / Gleis 1, Sibilla-Egen-Schule - Schulzentrum Michelbach

Wenn der Papa mit seinem Raubtier...

Schwäbischer Liedermacher Thomas Felder tourt mit seiner (wirklich?) so ganz anderen Tochter Johanna Zeul

Gleich drei Konzerte innerhalb von zwei Tagen gaben Vater und Tochter Thomas Felder, wohlbekannter schwäbischer Liedermacher und seine Tochter Johanna Zeul, eine der ersten Absolventinnen der Pop-Akademie in Mannheim und energiegeladenes "Raubtier" auf der Bühne. Gemeinsamer Auftritt von Gegensätzlichkeit(?)

Ernst-Walter Hug

Michelbach an der Bilz. Wer nach Thomas Felders poetisch schwäbischer Wort- und Lautspielerei "I ben i ond du bisch du..., ohne di wäri net do woni be" (Nein, nein, keine afrikanischen Urlaute sondern Schwäbisch von der Münsinger Alb) – wer nach solch lautmalerischer Poetik das Gitarrengeklampfe von Johanna Zeul hörte, fühlte sich wohl zunächst im falschen Konzert. Der unbefangene Zuhörer, der von der Tochter zumindest eine jugendliche Fortschreibung von des Vaters Kunst erwartete, hätte vorab eben die Programmankündigung lesen sollen.

Wenn sie mit Papa Thomas Felder am Piano neue Lieder einübt, dann wirkt sie so zahm, als könne sie kein Wässerchen trüben. Aber wehe, wenn Johanna zeul losgelassen... Foto Hug

Außerdem weiß der erfahrene Erwachsene - und aus solchen setzt sich ja wohl zumeist das Publikum Thomas Felders zusammen - dass Kinder niemals der Eltern Ding reproduzieren, sagen wir mal: selten. Mama Cornelia Zeul ist Volkskundlerin und Sängerin sowie Klavier-und Flötenlehrerin, der Papa der schwäbischste aller Liedermacher, vielfach ausgezeichnet und vielfach friedenspolitisch aktiv, was auch heute noch in seinen Programmen immer wieder aufblitzt - das legt man ja nicht ab, nur weil es gerade politisch nicht en vogue ist..., also da kann die Tochter ja nur eine Punk-Rockerin sein. Allerdings eine von erster Güte, wie man spätestens nach dem zweiten Song merkt. Hinter dem Rhythmus, hinter den synkopisch sprechgesungenen Texten, da steckt ja Vaters Poesiekunst. Der Zahnarzt habe sie vor nächtlichem Zähneknirschen gewarnt, das den Zahnschmelz abschmirgle, sagt sie. "Ich will wieder ein Raubtier sein", singt sie, "doch ohne Reißzähne bin ich keins. Ich fühl' mich so dressiert. Was ist mit mir passiert?" Sicher das ist nicht schwäbisch wie beim Papa, und es sind auch keine frechen Politlieder, sondern einfache Texte um jugendliches Aufbegehren, um Liebe und Sehnsucht.
Und doch: was das bühnenpräsente Energiebündel von 25-jähriger Tochter da von sich gibt, das ist beste Provokation in Vaters Fußstapfen, nur völlig anders. "Macht mir mal jemand die Hosen zu" fragt sie das mehr und mehr genante Publikum in allen Gefühlslagen, die man in Sprache hinein legen kann, bleibt Sekunden, Minuten lang still auf der Bühne stehen, bis tatsächlich jemand aus der ersten Reihe aufsteht und am offenen Gürtel unter der Gitarre fummelt. Und des Vaters Friedens-demonstrationsvergangenheit kolportiert sie: "Ich sauf mir am Wochenende die Hucke voll, weil der Erlös nach Afrika gehen soll, ich war auch schon mal auf 'ner Demonstration, ich glaub, das war gegen Embryo-Klon'n"
Und selbst die Besucher, die eigentlich ein beschauliches, witzig-poesiereich schwäbisches Thomas Felder-Konzert erwartet hatten, mussten schlussendlich, als sie, die 50-jährigen Lehrer, Erzieher, Heilerziehungspfleger, Verwaltungsaktuare, Hausfrauen, Sekretärinnen von der Zeulin animiert sich im Saal stehend und mit Klangstäben, Händen und Füßen den Rhythmus trommelnd wieder fanden, da mussten auch sie vor sich selbst zugeben: das war eine Vorstellung der Spitzenklasse. Und so ganz anders als der Vater ist die Tochter gar nicht.

 

 

 

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