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Musik/ Höhepunkte kubanischer Musik: Festival Son Cuba

Die schummrige Atmo einer kubanischen Hafenbar

Zum Konzert wurde das Fest erst nach der Pause

Drei Stunden Höhepunkte kubanischer Musik hatten die Veranstalter Konzertkreis Triangel, städtisches Kulturbüro und Radio StHoerfunk prophezeit und das war nicht zuviel versprochen. Halls Neubausaal verwandelte sich in einen karibischen Club

ERNST-WALTER HUG

Erhitzt vom Aufstieg durch die sommerliche Abendschwüle über die 200 Stufen hinauf zur Stadthalle erreichst Du den Club: die Atmosphäre stimmt. Fliegende Händler am Eingang bieten CDs, Fan-T-Shirts und Zigarren an, an den Tischen im Saal eilen geschäftige Bedienungen hin und her, bringen den Gästen ihre Speisen und Getränke, Windlichterkerzen flackern im Luftzug, denn auch die hintere Tür, vorbei an der Bar und den Sitzreihen vor der Bühne ist ebenfalls geöffnet. Du schlenderst hinaus, denn draußen kann man den Sonnenuntergang genießen, Wenn nur die gegenüberliegende Talseite nicht wäre, könnte man sich durchaus in einer karibischen Stadt wähnen. Die entsprechenden Halbstarken grölen und schreien herum, wie überall
Irgendwann hörst Du Applaus, eine Musikerin stellt sich vor, beginnt mit softigem Easy-Listening-Jazz, etwas karibisch angehaucht, sicherlich., doch draußen, neben der grölenden Gang "Ich will saufen, gib die Flasche her" kommt dir das vor wie irgendwo in den Slums einer amerikanischen Großstadt, wo die jugendlichen Latinos Passanten anmachen. und sich selbst angemacht fühlen, wenn ihnen mal jemand verbal über die Schnauze fährt.
Du gehst nach drinnen, die Klavierspielerin Marialy Pacheco singt nun auch, denkst Du und schaust zur Bühne. Doch dort sind jetzt zwei Frauen. Mayelin Perez hat sich dazu gesellt, spielt Gitarre und singt, ohne sich daran zu stören, dass das Publikum sich weiter unterhält. Auch Du triffst da und dort Bekannte, die an einem Bier oder einem Glas Rotwein nippen. Die Musik ist Hintergrund, verwebt sich mit dem Geräusch der sich unterhaltenden Menschen. Wie in einem großen Club eben. Der Beifall hält sich noch in Grenzen. Es ist eben schwierig, mit einem Glas in der Hand zu klatschen.

Ein Topf mit Wasser kommt Dir wenig später in den Sinn. Erst wird darunter ein kleines Feuer gemacht, dann wird nachgelegt und das Wasser beginnt zu summen. Auch der Saal vibriert. Die meisten Menschen sind von ihren Tischen aufgestanden, stehen nun und schauen zur Bühne. Nebenan zeigt ein Mann seiner Freundin die ersten Tanzschritte. Kleine Tapserchen: vor, zur Mitte, zurück, zur Mitte, vor, zur Mitte, zurück und eine Drehung. Freunde, die dabeistehen applaudieren. Die Musik, jetzt die Gruppe Evocación, wieder mit Sängerin Mayelin Perez, stört das nicht. Im Topf heißen Wassers steigen jetzt die ersten Bläschen auf.
Dann stehst Du wie eines der "coolen Kids" regungslos an einer der tragenden Säulen in der Halle, lässt die Stimmung auf dich wirken. Es ist Pause. Die karibische Sonne draußen ist untergegangen, versunken hinterm Riff. Auch der Saal wirkt wie ein Riff. Dort die Korallen und Muscheln, festgewachsen auf ihren Stuhlreihen. Dahinter und drumrum Schwärme von Barschen, die zusammenstehen und sich unterhalten. Dazwischen einsame Haie die rastlos von einem Ende der Halle zum andern ziehen. Auf der Suche wonach? Ahh: Weibchen. Da ein Pärchen. Er zieht sie hinter sich her. Da noch eines: sie voraus, er ein Glas Rum auf Eis mit Zitrone und Strohhalm in den Flossen hinter ihr her... und da, groß breit, einsam ein karierter Manta-Rochen, dazwischen unscheinbare Du-weißt-nicht-was-für Fische, ebenso einsam suchend, aber ohne Chance. Du lächelst über diese Gedanken still in Dich hinein, aber...

Du solltest solche Gedankenspielchen nicht übertreiben. "Luis Diaz y los 5 del son", das Sextet auf der Bühne, das die Pause beendet, nun drei mal lauter als zuvor, holt Dich zurück in die Gegenwart, ohne Dich aus dem karibischen Traum zu entlassen. Aus dem Club ist nun doch ein Konzertsaal geworden. Alles konzentriert sich auf die Bühne, folgt den kubanischen Zeremonienmeistern. Auch Du klatschst, wenn du auf Spanisch, das Du ja eigentlich gar nicht verstehst, dazu aufgefordert wirst, stehst auf von Deinem Stuhl: die vor Dir machen’s auch, und Du siehst sonst nichts. Und weil Du ganz außen in der Reihe bist, zieht Dich eine Bekannte raus auf die Fläche zwischen Stuhlreihen und Bar, will mit Dir tanzen. Warum auch nicht: Vor, zur Mitte, zurück, zur Mitte, vor, zur Mitte, zurück und Drehung.....

 

 

 

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