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Vernissage/ Georg Finleys "neue Linie"

Unvereinbares zusammenführen

Wird der Realität zugewandte Kunst zum Mittel für Utopie?

"Die neue Linie", nennt sich die Ausstellung im Wintergarten des Hällisch Fränkischen Museums. Der Künstler ist der Haller Amerikaner schlechthin: George Finley. Und seine Kunst ist genau das, was der Titel verspricht: Linie, weiße Linie vor blau-rotem Hintergrund

Ernst-Walter Hug

Hall. George Finleys Fangemeinde ist, gemessen am Besuch sonstiger Vernissagen - auch berühmter Künstler - in Hall besonders groß. An das übliche Stehen rund um die Laudatoren direkt vor den ausgestellten Werken war überhaupt nicht zu denken am Freitagabend bei der Vernissage im Hällisch Fränkischen Museum. Und auch die normale Bestuhlung des Vortragsraumes im Museum reichte nicht aus. Es gab daher durchaus die einen oder andern Kunst- und Finley-Interessierten, die entlang der Seitenwände stehen durften, als Sängerin Ulla Scheuermann und Klaus Seidenstick am Piano mit jazzigen Melodien auf Ansprachen, Bilder und den Künstler einstimmten.

George Finley erklärt Sparkassendirektor Lützelberger eines seiner Werke. Im Hintergrund das erste Bild der neuen Linie, das nach "NineEleven" entstand. (Leihgabe des Museum Würth) Foto: haku

Georg Finley ist US-Amerikaner und kam als Offizier zu Beginn der 60er nach Deutschland, wurde in Schwäbisch Hall stationiert. Schon damals hatte er sich viel mit Kunst beschäftigt, wandte sich mit dem Zeichenstift aber eher der Karrikatur zu, was ihm in und außerhalb des Militärs einige Bekanntheit einbrachte. Seine künstlerische Auseinandersetzung, durchaus auch mit Landschaft und Leuten schlugen sich zudem in zahlreichen Gemälden nieder. Das interessante daran: seine Erkundungen erfolgten meist ohne Vergleich mit dem, was er aus seiner US-amerikanischen Heimat kannte, wurden aber um so intensiver, je mehr er sich auf Deutschland, auf Hohenlohe, auf Hall einließ, um so mehr, als er eine junge Frau aus der Umgebung 1965 heiratete. Da war er allerdings schon nicht mehr hier stationiert. Fast 20 Jahre war er rund um den Globus fürs US Militär tätig, bevor er 1983 wieder nach Hall kam, aus dem Militärdienst ausschied und sich, zumindest teilweise im nahen Gnadental niederließ. Weitere Wohnsitze hat er in Schottland und in Boston.
Am Morgen des Neujahrstages 1995 gab Georg Finley die gegenständliche Malerei auf. Sein erstes abstraktes Werk entstand. Farbe und Form waren fortan Experiment und Leidenschaft für ihn. Diese Phase seines Schaffens dauerte sechs Jahre und neun Monate. Dann brachte das Ereignis vom 11. September 2001 in New York die Menschen zurück in die Werke Georg Finleys. Er kehrte sich ab vom farbigen Experiment, wandte sich mit seiner Kunst wieder den Realitäten zu. Und doch ist sein Blick auf diese Realitäten von der Wirklichkeit weit entfernt. Die Welt ist entrückt im Gewaber von blauer und roter Farbe, die Menschen sind, obwohl genauestens beobachtet, nicht real, erscheinen vor ihren Hintergründen wie Schattenwesen, deren Umrisse von den Flash Lights der Ereignisse erhellt werden, so als würden sie in der kurzen Zeit ihrer Existenz - der kurzen Zeit ihrer Beobachtung durch den Künstler - auf eine Röntgenplatte eingebrannt und so von ihm in die zwischen Ultraviolett bis blau wabernden Szenerien aus Weltereignissen und Alltag gesetzt: das Warten an der Bushaltestelle, das Lesen von Zeitungsnachrichten, die Auseinandersetzung mit dem Klimaschutz, ein Familienfest, ein Picknick. Kunsthistorikerin Claudia Scheller-Schach bezeichnete Finley denn auch als "Heimatmaler", zunächst mit Blick auf seine früheren Werke. Doch auch auf seine "neue Linie" lasse sich das, ausgehend von den Motiven, anwenden.
Finley kam aus der Welt der abstrakten Farben und Formen zurück, führt eigentlich Unvereinbares zusammen, um sich mit der Realität der Welt auseinanderzusetzen. Nicht, dass sie ihn eingeholt hätte. Nein, er versucht sich an der Kunst als Mittel zur Weltverbesserung. Dies aber, das sei ihm wie allen, die sich mit Kunst beschäftigen, bekannt, ist eine Utopie. Doch wer, wenn nicht ein Künstler, der auch schon andere Wege der 'Weltverbesserung' beschritten hat, dürfte sich durch Hinwendung zur Realität, an einer Utopie versuchen.

 

 

 

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